Supervision:

In der Supervision können unterschiedliche Inhalte a eingebracht werde.. Diese Inhalte können die Supervisanden häufig noch nicht noch nicht versprachlichen.

Meine Aufgabe in der Supervision ist es, mit Sprachmitteln das Nichtsprachliche zu ergründen. Mit anderen Worten versuche ich in  der Supervision Unbewusstes und Vorbewusstes zu versprachlichen. Unbewusstes, Vorbewusstes und Bewusstes hängen zusammen; dabei wird dargestellt, wie die Bewusstseinsstufen sich unterscheiden und zusammenhängen. Als Analytiker/in (Supervisor/in) und Patient/in bin ich permanent darum bemüht, mit impliziten und emotionalen Inhalten aufeinander einzugehen, unsere Intentionen miteinander auszuhandeln und darauf zu achten, ob Supervisanden mit dem Supervisor  gemeinsame Ziele in der Supervision erreichen. Anhand kleiner greifbarer Signale versuchen ich ein Gleichgewicht herzustellen zwischen Überlegenheit und Unterlegenheit, Nähe und Distanz, sowie Anziehung und Abstoßung. „Dabei passieren sowohl fortlaufend Fehlabstimmungen, Missverständnisse, Unterbrechungen der Abstimmungsprozesse als auch Reparaturen dieser Misslichkeit. Nur ein Bruchteil davon wird uns allerdings reflexiv bewusst und ist sprachlich überhaupt verfügbar“ (Mertens 2012, S.265f.).

 

Das Unbewusste umfasst nach Freud die Sachvorstellung allein; das Bewusste umfasst die Sachvorstellung mit Wortvorstellung (vgl. Freud, 1999).

Das Vorbewusste entsteht durch die Verknüpfung von Wortvorstellung mit Sachvorstellung. Wie kann aber eine Verknüpfung stattfinden in einen Raum ohne Sprache? Wie können wir in der Supervision Unbewusstes bewusst machen? Was sind genau Sachvorstellungen, wie entstehen Sie? In diesem Zusammenhang hat Lorenzer einen wichtigen Aspekt herausgearbeitet, in dem er beschrieben hat, wie er den Begriff der Sachvorstellung, der von Freud geprägt wurde durch „Erinnerungsspuren“ ersetzt. Damit wird deutlich, dass Lorenzer durch die Umbenennung hervorhebt, dass unsere Sachvorstellung nicht angeboren, sondern durch Lebenserfahrung als Erinnerungsspuren gebildet werden. Er beschreibt die Erinnerungsspuren als Lebenspraxis, die von innen sowie von außen auf uns einwirken. Erinnerungsspuren sind Einschreibungen vergangenen Lebens und zugleich dynamische Entwürfe. Sie sind die „Blaupausen“ des Lebensplanes und die Potentiale seiner Verwirklichung (vgl. Lorenzer, 2006).

Die Erinnerungsspuren sind das Unbewusste und somit den Trieben vorgestellt. Die Frage nach dem Platz des Triebmodells in diesem Interaktionsmustern, ist von besonderem Interesse, weil die Triebe ja die notwendige Energie für die Lebenspraxis bereitstellt. Der Trieb entsteht immer aus der Spannung von innen und außen; er stellt kein reines innerliches Reizpotential dar, sondern ist immer an die Bedürfnisse gebunden und ist nie losgelöst von äußeren Einflüssen. Triebtheorie nach Kernberg sieht Triebe als ein hoch individualistisch formbares und verschiebbares unbewusstes Motivationssystem an. Das bedeutet für die Supervision, dass wenn wir tatsächlich durch Interaktion Zeit unseres Lebens unsere Triebe beeinflussen können, dass wir auch durch eine supervisorische Arbeit die Triebkonstellation unserer Supervisanden und Supervisandinnen beeinflussen werden (vgl. Kernberg, 2000).

Aus diesem Grunde ist es notwendig, sich die Entstehung der Triebe und in ihrer Wirkungsweise näher zu betrachten. Nach meiner Vorstellung füllen die Triebe einen Raum zwischen Körperlichem und Seelischem. Das bedeutet jedoch nicht, dass es eine Trennung gibt zwischen Körperlichem und Seelischem, sondern ich gehe selbstverständlich davon aus, dass der Körper mit dem Seelischen und das Seelische mit dem Körper im engsten Miteinander verbunden ist. Nur zum besseren Verstehen gibt es eine getrennte Betrachtung, es handelt sich hierbei um eine gedachte, künstliche Trennung.

Die Triebe sind psychischer Natur; sie werden sichtbar durch die Affekte. Diese sind während ihrer gesamten Entwicklung Veränderungen unterworfen. Die Triebe werden durch primitive Affektzustände, die angeboren und in allen Kulturen gleich sind, geprägt. Dazu gehören u.a. Wut, Freude, Trauer, Neugier, Ekel usw. Die Affekte werden im Laufe der weiteren Entwicklung zu Trieben verdichtet und in zwei Stränge emotionaler Erfahrung aufgeteilt: zum einen in erotisches Begehren und zum anderen in mörderischen Hass. In jedem erotischen Begehren ist jedoch auch immer ein Stück Hass, so wie umgekehrt bei jedem Hass auch immer ein erotisches Begehren vorhanden ist (vgl. Melanie Klein, 1995). Der Affekt des primitiven Hasses konstituiert den Todestrieb, der Affekt der Libido wird durch die sexuelle Erregung konstituiert. Ich verstehe diese als hierarchisch übergeordnete Strukturen, die miteinander verbunden sind und sich miteinander austauschen. Ich gehe zusätzlich davon aus, dass die menschliche Psyche durchdrungen ist von Autodestruktivität, die sich besonders deutlich zeigt bei schweren Persönlichkeitsstörungen und bei der Bildung von psychopathologischen und depressiven Erkrankungen ( vgl. Melanie Klein, 1995).

Durch den Todestrieb wird eine grundsätzliche Autodestruktivität gespeist; dieser Todestrieb kann nur durch erotisches Begehren integriert und neutralisiert werden und das erotische Begehren kann somit dafür sorgen, dass Menschen im Umgang mit anderen Menschen integriert sind und integriert werden können. Die internalisierten Objektbeziehungen sind durch Erinnerungsspuren mitbestimmt und haben kontinuierlichen Einfluss auf die Entwicklung der Triebe. Sie verändern diese über ihre gesamte Lebenszeit (vgl. Kernberg, 2000)

Wie genau entstehen Erinnerungsspuren und was sind Sie genau?

Lorenzer versteht Freud aus dem Jahre 1926 so, dass dieser davon ausging, dass der Fötus mit der Mutter miteinander verbunden ist und schon während der Schwangerschaft die ersten Interaktionserfahrungen gemacht werden. Diese Erinnerungsspuren bilden geronnene Interaktionsformeln. Dieser Prozess ist natürlich nicht im Mutterleib abgeschlossen, sondern er beginnt dort und endet erst mit dem Tod.

Erinnerungsspuren sind Engramme, die sich sich in die Körperperipherie einzeichnen in den Sinnes-und Muskelapparates und hin zum Stammhirn über Reflexbögen ihre Wirkung entfalten. Dies ist nicht isoliert zu betrachten, sondern dies geschieht immer in der Einbettung einer Lebenswelt. Es gibt Grundaffekte die angeboren sind; diese sind nach Lorenzer leiblich begründet. An dieser Stelle kann uns der Philosoph M. M. Ponty (1986) weiterhelfen, der sich mit der Leiblichkeit besonders beschäftigt hat. Er bestimmt die Begrifflichkeit folgendermaßen: Der Leibbegriff ist durch Gebundenheit geprägt; er hebt die traditionelle Trennung von Körper und Bewusstsein auf und bietet einen anderen, tiefergehenden und ganzheitlicheren Erklärungsansatz. Nach M. M.-P. kommunizieren die Sinne miteinander und der Leib ist nicht in Körper und Bewusstsein zu trennen, sondern auch die Sinne interagieren untereinander und funktionieren synergetisch.

Der ganzheitliche Ansatz wird an einer weiteren Idee deutlich, da er den Menschen in einer Kontinuität mit der Natur sieht. Die menschliche Leiblichkeit ist ein Teil der Natur und wir sind miteinander verbunden, mit anderen Menschen genauso wie mit der Natur. Dies Geschehen beschreibt M.M.-P. an vielen Stellen als Kommunion oder Paarung. Mit unserer Leiblichkeit bekommen wir Menschen Kontakt zur Welt und dadurch, dass wir uns in anderen Menschen spiegeln, entsteht Zwischenleiblichkeit. Bei diesem Vorgang entsteht Gemeinsames, aber es bleibt auch etwas Fremdes. Unter Fremden verstehen wir nicht nur einen bloßen Mangel, sondern einen Entzug, d.h. Abwesenheit in der Anwesenheit, als Ferne in der Nähe. Dieser blinde Fleck der Erfahrung ruft Antworten hervor, die nicht im Eigenen beginnen, sondern anderswo; nicht ich beginne, sondern es beginnt mit mir (vgl. Waldenfels, 2019). Durch die Leiblichkeit sind wir in der Lage, Sinne und Wirklichkeit zu erleben. Wahrnehmungsprozesse sind notwendigerweise mit der Leiblichkeit verbunden. Der Leib ist die Verankerung in der Welt; er ist die erste Verbundenheit mit der Welt und unaufhebbar. Unser Körper ist die Voraussetzung von Bewusstsein; dieses konstituiert sich durch Wahrnehmung und Verhalten. Der Leib mit seiner Motorik ist die erste Weise, wie wir in der Welt sind. Alle Wahrnehmung ist motorisch gekoppelt - mit anderen Worten: ohne Motorik gibt es keine Wahrnehmung. Gegenstände in der Welt werden immer mit Bedeutung wahrgenommen. Wir erleben unsere Umwelt hauptsächlich in sinnhaften Zusammenhängen und unsere Wahrnehmung wird geprägt durch unsere Wahrnehmungserfahrung, die wie oben bereits ausgeführt, unser Bewusstsein bilden. Der Kontext ist prägend für unserer Wahrnehmung. Die Dinge haben Struktur; diese Struktur erlernen wir durch Erfahrung. Diese Erfahrung und die daraus resultierte Wahrnehmungsmatrix erkennt Dinge in der Außenwelt. Diese tiefere Matrix hat sich in den Leib eingeschrieben und bestimmt unsere Lebenspraxis. Wir sind erst später in der Lage, über Sprache unser Verhalten zu regulieren.

Teilweise können sich bestimmte Erinnerungsspuren nur über unverfängliches, modifiziertes Verhalten ausdrücken. Dieses erleben wir dann als Inszenierungen; in der Supervision ist es zentral, diese Inszenierungen zu deuten. Die psychoanalytische Supervision ist das Verstehen von Szenen. Das szenische Zusammenspiel zwischen Supervisand/in und Supervisor/in konstituiert das Verstehen und bildet die Voraussetzung für das Lernen von Neuem in der Supervision. Das Einlassen auf die sprachexkomminizierten Wirkungsschicht des Unbewussten des Supervisanden/ der Supervisandin ist Voraussetzung, um die verdrängten, abgespaltenen und einmateralisierten Verhaltensformeln in Verbindung zu setzen und das Gefüge wieder herzustellen. Dadurch kann für das Auszudrückende der richtige Name gefunden werden. „Das szenische Moment verbindet das sprachlose Zusammenspiel mit den Bilddarstellungen und diese mit dem „Beim-Namen-nennen“ (Lorenzer, 2006, S. 36).

Literaturliste:
Freud, S. (1999). Das Unbewusste. Gesammelte Werke, Band 10. Frankfurt am Main: Fischer
Kernberg, O. F. (2000). Ideologie, Konflikt und Führung. Stuttgart: Cotta‘sche.
Lorenzer, A. (2006). Szenisches Verstehen. Band 1. Kulturanalyse Marburg: Tectum Verlag.
Merleau-Ponty, M. (1984). Das Auge und der Geist. Philosophische Essays. Hamburg: Meiner Verlag.
Mertens, W. (2012): Psychoanalytische Schulen im Gespräch. Bd. 3:Huber Verlag
Waldenfels, B. (2019). Erfahrung, die zur Sprache drängt. Berlin: Suhrkamp.